Großer Villinger Psalter nach Ursula Haider

So lange der Große Villinger Psalter nach Ursula Haider (1413 bis 1498) gebetet wird, ist Villingen vor Zerstörung geschützt, sagt es der Volksmund. Gebetet wurde er täglich – die Psalmen über das Jahr verteilt – jedenfalls durchgängig durch die Jahrhunderte im Villinger Bickenkloster, das 2015 geschlossen wurde.

Ich hatte mit den beiden letzten Ordensschwestern Superiorin Schwester Roswitha Wecker und Schwester Siegrun Schachtner, die nach der Schließung nach Brig / Schweiz zogen, einen kleinen Briefwechsel. Siegrun Schachtner teilte mir mit Schreiben vom 07.04.2021 aus Brig Folgendes mit:

… Der große Psalter wurde über das Jahr verteilt gebetet. Jede Sr. betete die ihr zugeteilten Psalmen. So lang wir viele Schwestern waren wurde jeder Psalm mehrfach gebetet. Zuletzt hatte ich einen kleinen Kreis von Frauen. Sie besuchten am Samstag morgens die Hl,. Messe. Anschließend beteten wir einen Psalm. Wir waren zwischen 3 und 12 Beterinnen. Manche beteten zwischendurch zu Hause. Das Psalmenbüchlein verteilten wir schließlich. Die Psalmen selbst stehen ja in jeder Bibel. … In St. Ursula betete jede Sr. alleine. …

Sr. Sigrun Schachtner am 07.04.2021

Das Psalmenbüchlein

1. Evangelium nach Lk 1,26 – 38

stehend

Maria Verkündigung:

Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazareth gesandt zu einer Jungfrau, die verlobt war mit einem Manne namens Joseph aus dem Hause David; und der Name der Jungfrau war Maria. Und er trat zu ihr ein und sprach: „Sei gegrüßt, du Begnadete; der Herr ist mit Dir.“ Sie erschrak über das Wort und dann nach, was dieser Gruß bedeuten solle. Der Engel sprach zu ihr: „Fürchte Dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden bei Gott. Siehe du wirst empfangen und einen Sohn gebären und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Und Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben; herrschen wird er über das Haus Jakob in Ewigkeit, und seiner Herrschaft wird kein Ende sein.“ Maria aber sprach zu dem Engel: „Wie wird dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Der Engel antwortete ihr: „Heiliger Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das, was geboren wird, heilig genannt werden, Sohn Gottes. Siehe Elisabeth, deine Verwandte, auch sie hat einen Sohn empfangen in ihrem Alter, und dies ist der sechste Monat für sie, die als unfruchtbar gilt, denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ Maria aber sprach: „Siehe, die Magd des Herrn, mir geschehe nach Deinem Wort.“ Und der Engel schied von ihr.

2. Hymnus

stehend

Ave Maria, klarer und lichter Morgenstern!
Dein Schein, dein wunderbarer, verkündet uns den Herrn.
Du bist von Ewigkeit erwählt zur Mutter Gottes, zum Trost der Christenheit.
Ohn‘ Sünd bist du empfangen, wie uns die Kirche lehrt. Und von der falschen Schlangen geblieben unversehrt.
O Jungfrau keusch und rein, kein Lob dieser Erde kann deiner würdig sein:
Ein Gruß war dir gesendet vom allerhöchsten Herrn, durch Gabriel gespendet, er kam vom Himmel fern.
„Sie Jungfrau, hold gegrüßt, du bist ganz voll der Gnaden, mit dir Gott selber ist.“
Es wird dich überschatten des Allerhöchsten Kraft, und wunderbar ausstatten zur Gottesmutterschaft.
Gott selber wird dein Sohn, du sollst ihn Jesus heißen, und ewig währt sein Thron.
Da sprach sie mit Verneigen: „Ich bin des Herren Magd. Will Gott mir Huld erzeigen, gescheh’s wie du gesagt.“
O gnadenvolles Wort! Der Engel eilt zum Himmel, Gott Sohn herab von dort.
Das Wort ist Fleisch geworden, hat unter uns gewohnt. Nun jubelt allerorten, Gott selbst auf Erden thront.
O bitt für uns den Sohn, du liebe Mutter Gottes, führ uns zu seinem Thron.

3. Psalm 87 (Fundamenta)

geneigt

(Der Psalm 87 ist immer zu beten)

Der Herr liebt (Zion), seine Gründung auf heiligen Bergen! / mehr als all seine Stätten in Jakob liebt der die Tore Zions.
Herrliches sagt man von dir, / du Stadt unseres Gottes.
Leute aus Ägypten und Babel / zähle ich zu denen, die mich kennen;
auch von Leuten aus dem Philisterland, / aus Tyrus und Kusch sagt man: Er ist dort geboren.
Doch von Zion wird man sagen: / Jeder ist dort geboren. Er, der Höchste, hat Zion gegründet.
Der Herr schreibt, wenn er die Völker verzeichnet: / Er ist dort geboren.
Uns sie werden beim Reigentanz singen: / All meine Quellen entspringen in dir.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, / wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.

4. Hymnus

geneigt

Ave, Stern der Meere,
Gottesmutter, hehre,
Jungfrau, allzeit reine
Himmelspfort‘ alleine.

„Ave“ hieß die Kunde
aus des Engels Munde –
Evas Namen wende,
uns den Frieden spende.

Lös‘ das Band der Sünden,
bringe Licht den Blinden,
allem Bösen wehre,
alles Heil begehre.

Dich als Mutter zeige,
dass dem Fleh’n sich neige,
der für uns geboren,
deinen Schoß erkoren.

Jungfrau ewig reine,
mild und gut wie keine:
mache frei von Fehle,
rein und gut die Seele.

Lehr uns recht zu handeln,
Christi Weg zu wandeln,
dass uns Freude einet,
wenn er einst erscheinet.

Gott auf seinem Throne
und dem höchsten Sohne
und dem Geist – den Dreien
Preis und Lob wir weihen.

Amen.

5. Psalm 85 („Benedixti, domine terram tuam“)

geneigt

(Der Psalm 85 ist immer zu beten)

Einst hast Du, Herr, dein Land begnadet / und Jakobs Unglück gewendet, hast deinem Volk die Schuld vergebe, / all seine Sünden zugedeckt,
hast zurückgezogen deinen ganzen Grimm / und deinen glühenden Zorn gedämpft.
Gott, unser Retter, richte uns wieder auf, / lass von deinem Unmut gegen uns ab!
Willst du uns ewig zürnen, / soll dein Zorn dauern von Geschlecht zu Geschlecht?
Willst du uns nicht wieder beleben, / so dass dein Volk sich an dir freuen kann?

Erweise uns, Herr, deine Huld, / und gewähre uns dein Heil!
Ich will hören, was Gott redet: / Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen, / den Menschen mit redlichem Herzen.
Sein Heil ist denen nahe, die ihn fürchten, / seine Herrlichkeit wohne in unserem Land.
Es begegnen einander Huld und Treue, / Gerechtigkeit und Friede küssen sich.
Treue sprosst aus der Erde hervor; / Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder.
Auch spendet der Herr seinen dann Segen, / und unser Land gibt seinen Ertrag.
Gerechtigkeit geht vor ihm her, /und Heil folgt der Spur seiner Schritte.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, / wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.

6. Magnificat

stehend

Meine Seele preist die Größe des Herrn, / und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. / Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter!
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, / und sein Name ist heilig!
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten; / er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
er stürzt die Mächtigen vom Thron / und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben / und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an / und denkt an sein Erbarmen,
das er unseren Vätern verheißen hat, / Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, / wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.

7. Vater unser

kniend

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute;
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

8. Gegrüßet seist du Maria

kniend

Gegrüsset seist du, Maria,
voll der Gnade,
der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit
unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht
deines Leibes, Jesus.
Heilige Maria, Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder
jetzt und in der Stunde
unseres Todes.
Amen.

9. Psalm

kniend

(täglich wechselnd; der Psalm 1 ist hier nur beispielhaft eingefügt)

Glücklich ist, wer nicht dem Rat gottloser Menschen folgt, wer nicht mit Sündern auf einer Seite steht, wer nicht mit solchen Leuten zusammensitzt, die über alles Heilige herziehen, sondern wer Freude hat am Gesetz des HERRN und darüber nachdenkt – Tag und Nacht. Er ist wie ein Baum, der nah am Wasser gepflanzt ist, der Frucht trägt Jahr für Jahr und dessen Blätter nie verwelken. Was er sich vornimmt, das gelingt. Ganz anders ergeht es allen, denen Gott gleichgültig ist: Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. Vor Gottes Gericht können sie nicht bestehen. Weil sie seine Gebote missachtet haben, sind sie aus seiner Gemeinde ausgeschlossen. Der HERR wacht über den Weg aller Menschen, die nach seinem Wort leben. Doch wer sich ihm trotzig verschließt, der läuft in sein Verderben. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, / wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.

Zum Schluss

Das kopierte Büchlein „Gebete zu den Psalmen nach Ursula Haider 1413 – 1498“ endet mit folgendem – nicht mehr zum Gebet gehörenden – Schlusswort:

Gottesmutter zu Maria Haider

Damit soll ein Psalm uß gerichtet und gesprochen sein. Wenn du dis wirst verrichten, so will ich dir und der ganzen Stadt Villingen verheißen mein getreus Fürbitt uß mietterliche Freyheit bei meinem allerliebsten Sohn, also daß mein Segen sol über euch komen und ihr soltet beschirmet werden vor allem Unheil und Bedrüebmus am Seel und Leib, dam du und die ganze Stadt Villingen soltet allezeit von mir reichlich beschützt und beschirmt werden.

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