Für die Franzosen, Spanier, Türken oder Araber ist Deutschland das Land der Alemannen. Vor den Alemannen zitterte im frühen Mittelalter die Welt, lautet der deutsche Mythos von den Alemannen. Zimmermann schreibt in seiner Meckesheimer Ortschronik aus dem Jahr 1937:
Blindwütiger Hass?
„Ungefähr 300 Jahre waren die Römer im Besitze des Zehntlandes und trieben mit den anwohnenden Germanen Tauschhandel. Da kamen von Nordosten die Alemannen und stürmten immer kühner gegen den Grenzwall vor. Die römischen Söldnerscharen, vom Mutterlande verlassen, und ohne Nachschub, zogen sich über den Rhein zurück und überließen die Siedlungen ihrem Schicksal. Aus blindwütigem Hass gegen die Römer zerstörten die Alemannen alles, was an die Römer erinnerte, machten die zurückgebliebenen Siedler zu Sklaven und setzten sich in dem eroberten Gelände fest. Sie wurden nun sesshaft. Alle von den Römern eingeführten Kulturpflanzen wurden doch nicht ganz zerstört. Auch lernten die Herren von ihren Sklaven die Behandlung und Verwendung der neuen Kulturgewächse.“
Dieses Bild von den barbarischen Alemannen scheint sich zu bestätigen, wenn wir in der RNZ vom 10.4.2014 über die Ladenburger Geschichte lesen, dass man dort in der Trajan-Straße 1973 in einem römischen Brunnen eine zerschlagene Jupiter-Giganten-Säule fand. Als die Alemannen um 220 nach Christus in Ladenburg eingedrungen seine, hätten sie die Säule zerschlagen und in den Brunnen gestürzt, in dem sie rund 1750 Jahre lag, bevor sie entdeckt wurde.
In TV-Dokumentationen und Schulbüchern hat sich bis heute dieses im 19. Jahrhundert entstandene Bild von den Alemannen erhalten, das von kritischen Forschern aber als „Zerrbild“ bezeichnet wird. Die moderne Forschung zeigt, dass diese Sichtweise von der alemannischen Lebenswelt und der römisch-alemannischen Beziehungen nicht mit der Vergangenheit in Einklang zu bringen ist.
Wieso wurden die Alemannen als Barbaren betrachtet?
Wie Tacitus erzeugten die römischen Schrifsteller in einer Art „Propaganda“ ein „barbarisches“ Bild der Germanen. Die Erzählungen über den germanischen Alltag , ihre Kriegslust und ihr Aussehen erzeugten in den Köpfen der Römer das faszinierende Bild der edlen, starken Wilden, das durch die Berichte über den germanischen Sieg in der Varusschlacht noch verstärkt wurde. Es entstanden Vorstellungen von brandschatzenden und plündernden Barbaren, die die mächtigen Römer regelmäßig überfielen. Viele hilflose Römer mussten aufgrund dieser stetigen Auseinandersetzungen aus ihrer Heimat fliehen, ihr Hab und Gut wurde geraubt oder im schlimmsten Fall wurden sie selbst erschlagen. Letztlich waren es nach damaliger Meinung alleine die Germanen und hier besonders die Alamannen, die samt Familie und Hausrat auf Wanderschaft waren und nach der Mitte des 3. Jahhrunderts n. Chr. in „Barbarenstürmen“ den Limes niederrangen. Kurzum: Unter der militärischen Macht geeinter Alamannen sei damals die römische Herrschaft im heutigen Südwestdeutschland jenseits des Rheins zusammengebrochen.

Das Schulbild aus den 1970er Jahren zeigt, wie man sich die alemannische Aufsiedlung noch immer vorstellt. Im Hintergrund sind geplünderte und brennende römische Gebäude zu erkennen
Ab dem 19. Jahrhundert entwickelte sich ein stark verklärtes Alemannenbild, das dem damaligen Zeitgeist entsprach. Es ist zum Teil noch heute existent. Als alemannisch bezeichnet man übrigens die alemannische Sprach bzw. Dialekte, Brauchtum, Sitte, Architekturformen im süddeutschen Raum. In der Geschichtsforschung hat sich für das historische Volk, um das es uns hier geht, der Begriff Alamannen durchgesetzt. Ab jetzt wird hier also von den Alamannen gesprochen.
Frühalamannische Zeit ca. 250 bis 500 n.Chr.
Heute geht man davon aus, dass Römer und Germanen bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. friedlich zusammenlebten. Eine erste kriegerische Auseinandersetzung zwischen Germanen und Römern fand im Sommer des Jahres 213 n. Chr. statt. Diese steht im Zusammenhang mit Kaiser Caracallas „Germanischer Expedition“. In der römischen Geschichtsschreibung (Cassius Dio) wird in diesem Kontext von den „Alamanni“ gesprochen. Es spricht aber vieles dafür, dass in der späteren, byzantinischen Geschichtsschreibung aus Germanen einfach Alemannen gemacht wurden. Dafür spricht auch, dass Caracalla seinen Feldzug als germanische und nicht alamannische Expedition bezeichnete. Die Gegner Caracallas waren demnach mit großer Wahrscheinlichkeit noch keine Alamannen, denn es ist keine Quelle bekannt, die vor 289 n. Chr. Alamannen nennt.
Der Zeitraum, in dem sich die Alamannen als eine für die Römer erkennbare politische und militärische Macht herausbildeten, wird heute auf die Zeit zwischen 260 und 289 n. Chr. eingegrenzt. Ab jetzt taucht der Stammesname auf Denkmälern, römischen Münzen und Texten auf. Diese Zeit nach dem ausgehenden 3. Jahrhundert, in der sich die Alamannen im ehemaligen Limesgebiet konsolidierten und durch Quellen fassbar werden, wird als „Frühalamannische Landnahmezeit“ oder allgemein als „Frühalamannische Zeit“ bezeichnet. Sie reicht bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts und endet spätestens nach den verlorenen Schlachten von Zülpich/Tolbiacum 496 n. Chr. und Straßburg/Argentorate 506 n. Chr. gegen die Franken. Mit diesen Niederlagen gegen die Franken endete die alamannische Eigenständigkeit und damit die frühalamannische Zeit. Viele größere Auseinandersetzung zwischen Alamannen und Römern sind uns überliefert, politische Ereignisse sind bekannt und sogar von germanisch geprägten Burgen und Landschaften wird gesprochen. Die Kultur wandelte sich in diesem Zeitraum von einer römisch geprägten zur germanisch geprägten der frühalamannischen Zeit.

Durch die Archäologie lässt sich über die historischen Überlieferungen hinaus für weite Teile Süddeutschlands zwischen dem ausgehenden 3. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts eine kulturelle Gruppe mit recht einheitlicher materiellen Kultur definieren, die mit den Alamannen verbunden wird. Doch die Spuren, die uns die frühen Alamannen hinterlassen haben sind nicht zahlreich und in der Regel nur schwer zu entdecken. Dies liegt besonders daran, dass die Alamannen zu dieser Zeit keine größere Siedlungen bauten, wie dies die Römer taten. Sie pflegten das Leben in einfachen Holzpfosten-Flechtwand-Gebäuden innerhalb kleiner Gehöfte und Weilern oder sie lebten in Siedlungen auf markanten Höhenzügen.. Auch der Umstand, dass viele Siedlungen dort zu vermuten sind, wo heute moderne Städte liegen, ist ein Grund für die Seltenheit archäologischer Relikte dieser Zeit.
Ebenso legten die frühen Alamennen in der Regel nur schwer zu entdeckende kleine Gräbergruppen oder Einzelgräber an. Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 5. Jahunderts, als die Alamannen wie auch andere germanische Gruppen begannen, größere, sogenannte Reihengräberfelder anzulegen. Auch für die moderne Archäologie mit ihren vielfältigen Methoden ist es sehr schwer alemannische Siedlungen zu entdecken.
Fundleerer Kraichgau
Der Kraichgau, als fruchtbare und heute noch landwirtschaftlich intensiv genutzten Region, gehört ebenso wie der Oberrheinebene und das Allgäu überraschenderweise zu den „fundleeren Regionen“. Das ist wohl damit zu erklären, dass die aktuelle Forschungslage nicht die tatsächliche Verbreitung der alamannischen Fundstellen wiedergibt. Durch neue Ausgrabungen in den kommenden Jahren bleibt zu hoffen, dass weitere Fundstellen bekannt werden. Es liegt offenbar eine Forschungslücke vor.

Alemannische Funde in der Region wurden gemacht in
- Bad Rappenau-Babstadt
- Wiesloch
- Bruchsal
- Oberderdingen-Flehingen
- Osterburken
- Gundelsheim
- Pforzheim
- Gemmrigheim
- Güglingen
- Güglingen im Zabergäu
Einen hervorragenden Überblick über die Alamannen im Kraichgau gibt die Seite von Sven Jäger, der über das Thema an der Universität Heidelberg promovierte. Er hat uns freundlicherweise erlaubt, seine Karten über das Forschungsgebiet hier zu veröffentlichen. Sein Homepage zum Thema möchten wir sehr empfehlen.
http://www.alamannen-projekt.de/arbeitsfeld.html