Revolution 1848/49: Mönchzeller, Lobenfelder, Spechbacher, schließt euch uns an!

1848 kam es zu revolutionären Unruhen im Großherzogtum Baden, die auch das Lobbachtal erreichten. Die später so genannte “ „Märzrevolution“ erstrebte eine badische Republik unter der Souveränität des Volkes, und richtete sich gegen die Fürstenherrschaft. Man forderte eine freie Presse, unabhängige Gerichte, Befreiung von den adeligen Lasten, eine demokratische Verfassung, Bürgerbewaffnung und  eine deutsche Nationalversammlung.

Einer der Höhepunkte der Märzrevolution war der Heckeraufstand im April 1848 (oben wikipedia-Bild mit Friedrich Hecker). Die Revolution wurde aber 1849 endgültig mitlitärisch von Bundestruppen unter preußischer Führung niedergeschlagen.

Am 4. März 1848 begann die Bauernerhebung in Nordbaden. Die Revolution griff auf andere Staaten des deutschen Bundes über. In diesem Zusammenhang ist uns ein Brief aus Neckargemünd erhalten.

Am 24. März 1848 forderte der national-liberal gesinnte Neckargemünder Stadtrat die Mönchzeller, Lobenfelder und Spechbacher auf, sich der Erhebung anzuschließen. Sie sollten gemeinsam mit den Neckargemündern an einer Volksversammlung in Heidelberg teilnehmen.

Der Brief lautet:

„Der Gemeinderat in Neckargemünd bietet dem Gemeinderat in Mönchzell, Lobenfeld und Spechbach seinen herzlichen Gruß und wünscht, daß,  da bis Sonntag den 26. des Monats in Heidelberg eine Volksversammlung gehalten wird, ähnlich der in Offenburg, daß Sie mit Ihren Gemeindsangehörigen sich zahlreich hieher begeben wollen und sich an uns anschließen mögen, lassen Sie in dieser bedeutungsvollen Zeit sehen, daß deutsche Bürger den Sinn dieser Versammlung und dessen Zweck zu achten und zu ehren wissen. Der Zug wird höchstens 8 Uhr morgens abgehen. Neckargemünd, den 24. März 18148. Das Bürgermeisteramt. Pabst.“

Tumultartige Szenen

Einen Monat später kam es in Neckargemünd zu tumultartigen Szenen. Am Ostermontag, den 24. April 1848 zogen Freischärler aus Sinsheim über Neckargemünd nach Heidelberg. Sie zogen vor das Neckargemünder Rathaus und foderten unter lautem „Geschrei die Ausweisung des Ersten Beamten unter Bedrohungen“. Der Erste Beamte war der Leiter des Bezirksamtes Neckargemünd gemeint, der die Gemeinden unserer Region verwaltete. Es handelte sich um den seit 1840 im Amt befindlichen Oberamtmann Rüttinger, der bei der Bevölkerung im Unterschied zu seinem Vorgänger Lindemann (1819 bis 1840) sehr unbeliebt war. Rüttinger sprang aus einem Fenster im hinteren Teil des Rathauses und flüchtete in das benachbarte katholische Rathaus. Von dort wurde er von einigen Neckargemünder Stadträten unbemerkt über die hessische Grenze geschmuggelt. Rüttinger wurde bald darauf seines Amtes enthoben.

1848 entstanden in Baden über 400 demokratische Ortsgruppen, nämlich Bürgerwehren, Arbeiter- und Turnvereine. Im Elsenztal fielen die nationalen und liberalen Ideen vor allem in Sinsheim und Umgebung auf fruchtbaren Boden.

Maiaufstand 1849

Während die gemäßigten Liberalen mit der Erfüllung ihrer Forderungen die Revolution bereits im März 1848 als beendet ansahen, wollten die Demokraten mehr. Sie waren mit den zugestandenen Reformen genauso wenig wie mit der schwerfälligen Nationalversammlung, die seit 1848 in der Frankfurter Paulskirche tagte. Die demokratische Bewegung, die in Baden besonders stark war, wollte eine demokratische Republik. Dies wollte gut geplant sein. So bauten die Demokraten im Großherzogtum seit dem Winter 1848/49 die das ganze Land überziehenden demokratischen „Volksvereine“ aus. Dies war wegen der von der Paulskirchenversammlung als Grundrecht beschlossenen Vereinsfreiheit jetzt möglich. Als sich im Frühjahr 1849 abzeichnete, dass die Paulskirchenversammlung scheitern würde und der preußische König, die ihm von der demokratischen Paulskirche angebotene Kaiserkrone ablehnte, war dies der Startschuss zum offenen Aufstand.

Warum der König keine Kaiserkrone „aus Dreck und Letten“ wollte

Anfang April 1849 war  Delegation des Deutschen Nationalparlaments von Frankfurt nach Berlin gereist, um dem preußischen König Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone anzutragen. Schon am 28. März war in der Frankfurter Paulskirche die Reichsverfassung verabschiedet und der preußische König zum Deutschen Kaiser gewählt worden.

Im Berliner Schloss verweigert Friedrich Wilhelm IV. die Annahme der ihm angetragenen deutschen Kaiserkrone mit den Worten:

„Ich würde dem Sinne des deutschen Volkes nicht entsprechen, Ich würde Deutschlands Einheit nicht aufrichten, wollte ich, …  ohne das freie Einverständnis der gekrönten Häupter, der Fürsten und der freien Städte Deutschlands, eine Entschließung fassen, welche für sie und für die von ihnen regierten deutschen Stämme die entscheidendsten Folgen haben muß.“

Der König wollte schon die Krone, aber nicht eine Krone, die ihm von Demokraten, sondern von Fürsten aufs Haupt gesetzt wurde. Die Frankfurter Abgeordneten waren geschockt, es sollen  Tränen geflossen sein. Unverrichteter Dinge zogen sie wieder nach Frankfurt ab. Der Traum vom vereinten Deutschland war geplatzt.

In einem Brief an den preußischen Gesandten in London wurde Friedrich Wilhelm IV. noch deutlicher:

„Die Krone, welche die Ottonen, die Hohenstaufen, die Habsburger getragen, kann natürlich ein Hohenzoller tragen; sie ehrt ihn überschwänglich mit tausendjährigem Glanze. Die aber, die Sie – leider meinen (gemeint ist die Krone der Paulskirche), verunehrt überschwänglich mit ihrem Ludergeruch der Revolution von 1848, der albernsten, dümmsten, schlechtesten -, wenn auch, Gottlob, nicht bösesten dieses Jahrhunderts. Einen solchen imaginären Reif, aus Dreck und Letten gebacken, soll ein legitimer König von Gottes Gnaden und nun gar der König von Preußen sich geben lassen, der den Segen hat, wenn auch nicht die älteste, doch die edelste Krone, die Niemand gestohlen worden ist, zu tragen? … Ich sage es Ihnen rund heraus: Soll die tausendjährige Krone deutscher Nation, die 42 Jahre geruht hat, wieder einmal vergeben werden, so bin ich es und meines Gleichen, die sie vergeben werden. Und wehe dem, der sich anmaßt, was ihm nicht zukommt!“

Volksversammlung in Offenburg

Nachdem es hierauf zu Aufständen in Sachsen, Preußen und der bayerischen Pfalz zu revolutionären Aktionen gekommen war, wurden die Demokraten auch im Großherzogtum Baden aktiv. Am 4. Mai 1849 berief der Landesausschuss der demokratischen Volksvereine nach dem in der Mitte Badens gelegenen Offenburg ein. Die Reichsverfassung der Paulskirche sollte „durchgesetzt“ werden. Allerdings hatte sie die Regierung in Karlsruhe schon am 14. April mit 28 anderen deutschen Staaten anerkannt. Sie wurde am 9. Mai 1849 im großherzoglichen Regierungsblatt veröffentlich. Am Wochenende des 12. und 13. Mai 1849 kamen in Offenburg an die 40.000 Demokraten zusammen. Es wurde schnell klar was sie wollten: Die Abschaffung der Monarchie, die demokratische Republik, auch wenn dies in den „Offenburger Forderungen“ nicht offen ausgesprochen wurde.

Die Dörfer mit den meisten Trunkenbolden und Faulen, sind am meisten „heckerisch“

Die Abläufe des Maiaufstands im Großherzogtum Baden waren jetzt folgende:

  • Am 11. Mai brach in mehreren badischen Garnisonen eine Militärmeuterei aus.
  • Seit dem 12. Mai stand die wichtige Festung Rastatt unter der Kontrolle der Aufständischen.
  • Am 13. Mai griff die Revolte auf die Karlsruher Residenz über und Großherzog Leopold floh abends ins Exil nach Koblenz.
    flucht_grossherzog_leopold_1849
  • Am 14. Mai zog der Landesausschuss der Volksvereine in Karlsruhe ein. Die Regierung wurde abgesetzt und durch eine „Exekutivkommission“ des Landesausschusses unter dem Präsidenten Brentano ersetzt. Neben der Festigung der Revolution sollte sie vor allem den Widerstand gegen die zu erwartende Militärintervention Preußens vorbereiten, das der Großherzog um Hilfe angerufen hatte.
  • In den Städten und Amtsbezirken wurden von der Revolutionsregierung „Kommissäre“ eingesetzt, denen vor Ort die gleiche Aufgabe zukam. In Heidelberg wurde der Wundarzt Gallus Maier als Zivilkommissär für Stadt und Amtsbezirk eingesetzt. Kriegskommissär wurde der Philosophiestudent und radikale Republikaner Gustav Adolph Schöffel, der aber so unbeliebt war, dass er schon am 1. Juni durch Adolph Hexamer ersetzt wurde.
  • In der letzten Maiwoche kam es schon zu vereinzelten Gefechten mit regierungstreuen hessischen Truppen an der Bergstraße und im Odenwald. Die Hessen stoppten den geplanten Vormarsch der badischen Armee, die die Revolution ins Hessische tragen sollte.
  • Am 3. Juni fand die Wahl zur konstituierenden Landesversammlung statt.
  • Am 10. Juni trat das erste von allen männlichen Bewohnern Badens über 21 Jahren direkt gewählte Parlament zusammen. Den Wahlkreis XVII, der aus den Amtsbezirken Heidelberg, Wiesloch und Weinheim bestand, vertraten Eduard Bronner (Mediziner aus Wiesloch), Friedrich August Lehlbach (Pfarrer aus Heiligkreuzsteinach), der Heidelberger Zivilkommisär Gallus Maier und Joseph Ignaz Peter.
  • Mitte Juni wurde eine provisorische Regierung mit diktatorischen Vollmachten unter Brentano errichtet.
  • Am 20. Juni gelangten preußische Truppen, die zuvor die Pfalz besetzt hatten und in den Odenwald vorgestoßen waren, bei Germersheim über den Rhein. Die badische Armee verlegt ihre Truppen in die Gegend um Waghäusel. Alle in Heidelberg stationierten Soldaten und Freischärler (16.000) werden abgezogen. Der polnische Oberkommandant Mieroslawski schlägt mit 15.000 Mann sein Hauptquartier in Schwetzingen aus. Man ahnt, dass am nächsten Tag ein entscheidender Kampf bevorsteht.
  • Am 21. Juni brachten die Preußen der badischen Revolutionsarmee bei Waghäusel eine entscheidende Niederlage bei. Zunächst hatte es für die Badener gut ausgesehen, so dass schon nach Heidelberg siegessicher gemeldet wurde „die Preußen schwimmen schon im Rhein“. Waghäusel war von den Preußen besetzt. Die angreifenden Badener nahmen zunächst die Zuckerfabrik ein und drängten die Preußen gegen Phillipsburg hin zurück. Doch plötzlich kam es zur militärischen Katastrophe. Völlig unerklärlich begannen die erfolgreichen Badener plötzlich den Rückzug, der in eine heillose Flucht überging. Es gibt verschiedene Erklärungsversuche. Eine Theorie besagt, dass die vordringenden Badener das geräuschvolle Fahren von leeren Pulverwägen, die hinter der Front wieder gefüllt werden sollte, als den Anfang eines Rückzugs missverstanden hätten. Andere Schilderungen besagen, dass die Dragoner unter ihrem Oberst Friedrich Beckert „böswillig zurückgesprengt“ seien und so die Infanterie in Verwirrung gebracht und mit sich fortgerissen hätten. Die Preußen seien schon ganz entschieden geschlagen gewesen und erst bei der Verfolgung der Preußen durch die Badener sei jeder Umschlag eingetreten. So berichtenes August Braß, Offizier im badischen Heer, und auch Oberbefehlshaber Mieroslawski gegenüber der provisorischen Regierung. Wieder andere meinen dass während des Vorrückens der badischen Armee gegen die Preußen eine preußische Verstärkungsdivision unter dem preußischen Generalmajor von Brun herangerückt sei. Die ungeordnet vordringenden Badener hätten befürchtet „überflügelt“ zu werden und der Anblick der großen preußischen Truppenmasse, die sich in geschlossener Formation näherte, hätte zu Angst und Flucht geführt.
  • Am 22. Juni treten die nach Heidelberg geflüchteten Soldaten den Rückzug auf der einzigen noch freien Straße in Neckartal Richtung Neckargemünd an.Von dort geht der Rückzug über das Elsenztal und auch durch Meckesheim nach Sinsheim. Von dem nach Heidelberg geflüchteten Rest der Volkswehr verwandelten sich jetzt nich wenige Freischärler in Windeseile in Handwerks- und Bauernburschen „und suchten sich nach Hause zu schleichen“, in ihre Dörfer nämlich. Viele Flüchtlinge wählten von Heidelberg aus den kürzeren Weg über den Königstuhl und kehrten an den „väterlichen Herd“, wohl auch in Meckesheim, Mönchzell und anderen Orten des Lobbachtals zurück. Die  Waffen, derer man sich jetzt natürlich wegen der Preußen entledigen wollte, wurden nachher von den Bürgermeistern der Ortschaften an die Behörden abgeliefert. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Einschätzung des Heidelberger Universitätsprofessors Karl Heinrich Rau, der die 40 Tage des Maiaufstandes aus Heidelberger Sicht beschrieb: „Diejenigen Dörfer, in denen es die meisten Trunkenbolde und Faule gibt, sind auch am meisten ‚heckerisch'“.
  • Die badische Armee entzog sich der Gefahr der Einkesselung durch die Preußen indem sie sich zunächst am 24. Juni nach Karlsruhe zurückzog und am 25. Juni auf die Murglinie, wo die Front für einige Tage stabilisert werden konnte.
  • Am 29. Juni brachen die Bundestruppen bei Gernsbach durch und besetzten binnen weniger Tage ganz Baden.
  • Am 23. Juli kapitulierte die Rastatter Festung nach vierwöchiger Belagerung.
  • Am 18. August hielt der Großherzog unter preußischer Obhut feierlichen Einzug in die Karlsruher Residenz.
  • Am 13. Februar 1850 entließ der neue Neckargemündert Oberamtmann Spangenberg die neuen „politische Verbrecher“ aus der Neckargemünder Untersuchungshaft. Sechs wohn ihnen waren Sinsheimer, einer kam aus Obergrombach, einer aus Elsenz und einer aus Ittlingen. Sie wurden unter Polizeiaufsicht gestellt und durften ihre Heimatorte nicht verlassen.

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