Viele haben den Western-Klassiker „Trommeln am Mohawk“ von 1939 vielleicht schon gesehen. Aber die wenigsten wissen: Bei der bei der heldenhaften 800 Mann-Truppe, die die 2.400 starken Engländer samt Indianern besiegt, handelt es sich um „Palatines“. So nannte man in Amerika die Kurpfälzer, die aus der Pfalz in die neue Welt ausgewandert waren. Es ist über 300 Jahre her, als die ersten Deutschen in Amerika eintrafen. Im 18. Jahrhundert wanderten so viele Kurpfälzer in Amerika ein, dass die „Palatines“, die Pfälzer, als Synonym für die Deutschen schlechthin galten. Sie hatten maßgeblichen Anteil an der Unabhängigkeit der späteren USA. George Washington rühmte sie als seine „Bauernsoldaten“.
Auswanderungswellen
aus der Kurpfalz in die späteren USA gab es
- Ende des 17. Jahrhunderts als die Fernauswanderungen begannen
- Große Pfälzer Treck von 1709 weil Frucht- und Brotmangel herrschten
- 1732
- 1738
- 1742 bis 1744
- 1749 bis 1754
- 1764 (besonders stark)
- 1770 bis 1773
- 1785 bis 1802, vor allem 1792 bis 1796
- 1849 nach der badischen Revolution
- 1878 bis 1890 wegen der Sozialistengesetze
- 1933 bis 1945 als die kurpfälzischen Juden vor den Nazis flohen
In der alten Kurpfalz musste die Auswanderung von der Regierung genehmigt werden. Auswanderungen sah man dabei in der alten Pfalz nicht gerne, denn nach dem Dreißigjährigen Krieg waren so viele Güter verwüstet, dass man zu ihrem Wiederaufbau bis zu zwölf steuerliche „Freijahre“ zusagte. Alleine der „Hohe Regierungsrat“ konnte einem Auswanderungsgesuch stattgeben. Ein solcher Auswanderungsantrag konnte übrigens nur über die Oberämter, also nicht über die Ämter vor Ort an die Regierung gestellt werden. Die Adelsämter und die Stadtmagistrate hatten keine Befugnis Auswanderungen zu gestatten. So wurde es den Ortsherren bei Strafe von 100 Gulden (was dem Wert von 6 Kühen oder drei Stuten entsprach) untersagt „ihren Hintersassen den Wegzug in andere auswärtige Staaten zu gestatten“.Ein Meckesheimer – Meckesheim war ein unmittelbar kurpfälzischer Ort – konnte die Auswanderung also nicht beim Amt in Dilsberg entscheiden lassen. Ein Mönchzeller – Mönchzell war als Dominialort eines Adeligen ein mittelbar kurpfälzischer Ort – nicht bei seinem Ortsherrn, Freiherr von Uexküll. Sowohl der Meckesheimer, der unmittelbar und der Mönchzeller, der nur mittelbar, der kurpfälzischen Landeshoheit unterstand, mussten über das Amt Dilsberg beim Oberamt Heidelberg ein „Emigrationsgesuch“ stellen, wenn sie auswandern wollten. Dabei wurden Auswanderungsgesuche gerade vom Oberamt Heidelberg eher ablehnend bescheiben, da der Oberamtmann von Heidelberg als Hofrat wusste, dass die Regierung die Auswanderung letzten Endes nicht wollte. Die Dilsberger wussten besser als die Heidelberger um die Not in den Orten und waren großzügig, so dass sie sogar Atteste für die Auswanderung ausstellten, was dem Amt Dilsberg Ärger mit dem Heidelberger Oberamt einbrachte. Andere Oberämter befürworteten die Ausanderungsgesuche fast immer. Nach einem Antrag hielten die Oberämter Rücksprache mit den Ämtern vor Ort. Das ging schnell. Das Oberamt setzte dem Ortsamt nämlich kurze Fristen für die Rückantwort. Wurden diese überschritten war nicht nur eine Geldstrafe zu zahlen, sondern das das Oberamt entsandte auch einen besonderen Boten in die Ortschaft, der auf Kosten des Ortsamtes so lange dort zu warten hatte, bis er den Bericht mitnehmen konnte.
Böse Überraschungen
Auch war ein Auswanderungsgesuch nicht ungefährlich und konnte mit bösen Überraschungen enden. So wollte der Daisbacher Jacob Heis 1759 mit seiner Frau und seinen sechs Kindern nach Ungarn auswandern. Gegen Zahlung von 38 Gulden durfte er auswandern. Aber nur mit seiner Frau und seinen vier Töchtern. Die beiden Söhne wurden kurzerhand zum kurfürstlichen Regiment eingezogen.
Der Meckesheimer Konrad Laschinger war ohne Erlaubnis nach 1800 ins bayerische „Ausland“ weggezogen. Als er nach Meckesheim zurückkehrte und beantragte, dass er wieder das Bürgerrecht verliehen bekäme, wurde sein Antrag am 19.11.1804 abgelehnt (Hacker, S. 135, Rn. 1195). Die Nichtwiederaufnahme wurde bei Rückkehr wurde also nicht nur angedroht, sondern auch praktiziert. Normalerweise nur bei Fernauswanderungen. Bei Laschinger war wohl der Hauptgrund sein unerlaubtes Wegziehen. Dabei war Bayern seit 1777 als Carl Theodor Bayern geerbt hatte, gar kein richtiges Ausland mehr.
Leibentlassungsbrief Blanko (GLA 229/53018)
Leibeigene und Leibfreie
Die Entscheidung der Regierung über ein Auswanderungsgesuch fiel übrigens unterschiedlich aus, je nachdem ob es sich um leibfreie oder leibeigene Männer und Frauen handelte. Allerdings musste auch ein Leibfreier in der Kurpfalz um die Emigrationserlaubnis bitten, die – wenn auch seltener – sogar abgelehnt werden konnte. In Baden hingegen hatte ein Leibfreier einen Anspruch auf „Entlassung“.
Leibfrei waren die Bürger der Städte und der leibfreien Orte, die Schulmeister, die Hintersassen ohne Gewerbe und die Glasarbeiter. Erhielt ein Leibfreier die Emigrationserlaubnis hatte er auch keine Nachsteuer („Abzug“) zu zahlen. Denn in der Pfalz sah man die Nachsteuer als einen Ausfluß der Leibeigenschaft an. Wer ohne Erlaubnis auswanderte hatte zehn Prozent Nachsteuer zu zahlen und der Rest seines Vermögens wurde beschlagnahmt (jedenfalls bis 1779).
Leibeigene hatten es schwer wegzukommen. Leibeigen wurde man durch Geburt von einer leibeigenen Mutter, durch nichteheliche Geburt oder durch „Wildfangrecht“, ein uraltes königliches Privileg, wonach ein Fremder, der länger als ein Jahr in einem kurpfälzischen Ort wohnte, ohne von einem fremden Herrn verfolgt zu werden, zum kurpfälzischen Leibeigenen vereidigt werden konnte.
Leibeigene besaßen die gleichen Rechte wie die Leibfreien, sie hatten sie nur ein jährliches Leihuhn, das einen Wert von 12 Kreuzern hatte, abzugeben. Allerdings hatten sich sich freizukaufen, wenn sie ins Ausland wollten. Und Ausland waren damals eben auch schon Baden oder Württemberg.
Ein Fünftel des Vermögens als Ausreisegebühr
Die Entlassung aus der Leibeigenschaft stand im Belieben des Landesherrn. Der Loskauf kostete zehn Prozent des Vermögens Wer besitzlos war musste keinen Loskauf bezahlen. Neben dem Loskauf hatten Leibeigene beim Wegzug noch die Nachsteuer, die man auch „Abzug“ nannte, von zehn Prozent, des um den Loskauf verminderten Vermögens zu zahlen. Insgesamt zahlte man also 19 Prozent des Vermögens. Sobald die Gebühren gezahlt waren, sollten die Leute wegziehen und nicht mehr im Ort geduldet werden.
Mädchen und Frauen, die leibeigen waren, wollte man überhaupt nicht ins Ausland entlassen. Man wollte sie im Land behalten, vererbten sie doch die Leibeigenschaft auf ihre Kinder weiter. Dieses Entlassverbot galt sogar, wenn die Frau aus einem kurpfälzischen Ort in eine benachbarte ritterliche Herrschaft wegziehen wollte.
Bedeutend für die Auswanderung war auch, ob man Bürger, Hintersasse oder Beisasse war. Beisassen hatten keinen eigenen Grund, sondern durften höchstens eine Kuh oder zwei Geißen besitzen und mit ihnen die Almende belasten. An ihnen hatte der Staat kein Interesse. Sie erhielten die Auswanderung leicht.
Alles war sehr kompliziert, viel komplizierter als hier wiedergegeben.
Auswanderungsziele
Die Pfälzer wanderten nicht nur nach Nordamerika und dort vor allem nach Pennsylvanien aus. Andere Emigrationsziele waren Ungarn und der ungarische Banat, Brandenburg, Preußen, Dänemark, Französisch Cayenne in Südamerika, Spanien, die Krim, Kaukasien, Frankreich und Kapstadt.
„Pinßel Fania“
schrieben manche Auswanderer als Adresse auf ihre Briefe in die alte Heimat. Pennsylvania war die neue Heimat, die Kurpfalz die alte. Schon 1709 war der erste große Treck der Pfälzer nach Nordamerika, insbesondere Pennsylvania gezogen. Allerdings nur Protestantische. Katholiken nahm man dort nicht an. Die Katholiken wanderten nach Ungarn und Galzizien aus. Es waren sogar mehr Auswanderer als nach Nordamerika. Vom Beginn der Auswanderungsbewegung bis 1803 wurden für die USA 542 Auswanderer ermittelt, für Ungarn hingegen 497 und für Galizien 253 Auswanderer (Hacker, S. 47). Zu der Verwüstung der Kurpfalz durch die vorangegangenen Kriege kam 1709 ein besonders strenger Winter und eine große Hungersnot. Die Regierung ließ an die 3000 Zentner Mehl und bis 12.000 Metzen Hafer an arme Untertanen verteilen. In den Schiffen nach Nordamerika waren die Pfälzer oder „Palatines“ so zahlreich, dass man kurzerhand alle deutschen Auswanderer Palatines nannte. Die kurpfälzische Regierung hatte Angst Einwohner nach Amerika zu verlieren. Anwerbung wurde verboten. Und, wenn ein Palatines in die alte Heimat zurückkam, um Verwandte zu besuchen oder noch alte Geschäfte zu erledigen, wurde ihm auf seine Kosten von der kurpfälzischen Regierung ein Aufpasser zur Seite gestellt, der ein wachsames Auge auf sein Tun und Lassen zu werfen hatte. Man wollte verhindern, dass die Untertanen ebenfalls zur Auswanderung verführt würden. 1764 wurden sogar alle amerikanischen Besucher „auf der Stelle wieder fortgewiesen“.